The Corona Diaries 30.03.2020

The Corona Diaries

Montag 30.03.2020

gespenstisch

Am Samstag fuhr ich einkaufen. Die Altstadt von Solothurn war praktisch menschenleer. Normalerweise ist am Samstag Trubel, der Markt am Morgen ist überlaufen und die Beizen am Aareufer sind schon um 10°°h voll besetzt. Jetzt ist sie leer, die Stadt. Nur einzelne versprengte Menschen sind zu sehen und sie bewegen sich so, als ob man sie nicht sehen dürfte. Auf der Velotour am Sonntag nach Langenthal war ich weitestgehend alleine unterwegs. Ab und zu sichtete ich in den Dörfern Fussgänger mit Hunden. Im Hofladen in Deitingen an der Hauptstrasse, wartete der Freund des Mädchens welches Konfitüre einkaufte schön anständig draussen, weil schon drei Leute im Laden waren. Eine gespenstische Stimmung der Kontaktlosigkeit und der Einsamkeit macht sich breit. Weltverschwörerische Gedanken kreisen mir durch den Kopf. Man muss nur die ultradünne 20 Minuten überfliegen, merkt selber am Arbeitsplatz dass etwas nicht stimmt. Was wenn es viele Firmenpleiten geben würde, der Bund gar kein Geld hat für all die Kurzarbeitenden und für die Firmen die jetzt kein Umsatz mehr machen. Staatbankrott? Wer zahlt das eigentlich? Wohl der Steuerzahler selber! Der Zug zur Arbeit ist eigentlich leer, wir die jetzt noch unterwegs sind, sind die ganz harten letzten Mohikaner des Alltags. (Wie geht eigentlich die weibliche Form von „die ganz Harten“?) Es sind momentan viel mehr Frauen unterwegs als sonst, im Verhältnis, kommt mir vor. Wir, die, die immer im zeitgleichen Zug sitzen am frühen Morgen, uns aber sonst wie nicht kennen, schauen uns an und lächeln das wissende Lächeln. Wir sind die Ungläubigen des Massenwahns, das schweisst zusammen! Wir kennen die Wahrheit und wir fühlen uns einfach nur gut, weil wir die ganz Geilen sind, die sich immer noch auf dem Bahnhof tummeln, trotz Endzeitprognosen. Wir sind die letzte Kohorte die dem Gespenst der Seuche und der Vereinsamung trotzen!

The Corona Diaries

︎ Die Äusserungen zu den hier zur Sprache gebrachten Themen sind Steingers rein persönliche Sichtweise. ︎

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